„Risse, dunkle Silhouetten und eine beleidigte Sonne…“ – Lyrikwettbewerb Expressionismus 2023
Beim diesjährigen, von der Fachschaft Deutsch organisierten Lyrikwettbewerb zum Thema „Expressionismus“ stellten sich die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangstufe Q 3/4 der Herausforderung, eigene Gedichte mit epochentypischen Merkmalen zu verfassen und einen subjektiv geprägten, lyrischen Aufschrei gegen die als bedrückend oder unzureichend empfundenen Zustände zu gestalten.
Bei der Preisverleihung am 31. März 2023 konnten in der Aula des Gustav-Stresemann-Gymnasiums schließlich die besten Texte aus den Deutsch Grundkursen und dem Leistungskurs von der Jury, bestehend aus Frau Kühne, Herrn Wicke und Frau Wohltmann, prämiert werden.
Dabei ist es dem Preisträger und den Preisträgerinnen eindrucksvoll gelungen, das expressionistische Lebensgefühl in eine eindringliche Sprache zu gießen und in die Gegenwart zu übertragen.
Für die besten Texte des Lyrikwettbewerbs wurden an ihrem letzten offiziellen Schultag folgende Abiturient*innen ausgezeichnet:
– Gabriel Pereira Oliveira (1. Platz)
– Malina Ledderboge (2. Platz)
– Ruta Strasunskaite (3. Platz)
Dank der finanziellen Unterstützung durch den Förderverein des Gustav-Stresemann-Gymnasiums konnten den Gewinnerinnen und dem Gewinner zur Förderung ihrer literarischen Fähigkeiten Büchergutscheine im Wert von 60,00 EUR überreicht werden.
Gabriel Pereira Oliveira: Du riechst so gut
Ein Riss im Herz von Nord nach Süd,
östlich kämpfen und im Westen wird gestorben.
Wo kein Wasser ist, da trinken sie Blut und Schlamm.
Donars Schläge haben Gott längst vertrieben.
Die fetten Schweine schicken Küken ins Schlachthaus und im Entenmarsch folgen diese dem Befehl.
Erst singen, dann hungern, weinen, beten, kämpfen, sterben.
Die Mechanik zerwolft sie bis zur Unkenntlichkeit.
Wenn Ihr eure Toten nicht vergraben könnt,
dann beerdigt eure Seele und Moral.
Wenn Ihr dann eure Seele und Moral vergessen habt,
ist das Leben so schön wie der Tod.
Wozu für ein Ende kämpfen, wozu leben,
wenn man selbst ein Ende setzen kann?
Die Nase blutet, weil der Tod riecht stechend,
der Tod riecht lebendig gut.
Malina Ledderboge: Nichtbekanntsein. Nichtgenanntsein. Namenslosigkeit
Dunkle Silhouetten zeichnen sich
auf den glücklichen Masken.
Bekannte Routine
Und doch so leer.
Häuser gleichen Kerkern,
Das Atmen fällt schwer.
Mit kindlicher Euphorie kamen wir für mehr
als nur zum Übernachten.
Nicht selten verlieren wir uns
in der Möglichkeit
ein neues Wir zu schaffen.
Ein Netz aus Lügen,
um jemand zu sein,
der ich nicht bin.
Unberührt vom Leid des anderen,
ach, was sind wir Laffen!
Taubheit durchströmt manch einen
von den Spitzen
bis ins Kinn.
Frei
Und dennoch gefesselt.
Klare Sicht
Und dennoch aussichtslos.
Hier bin ich Mensch,
das darf nicht sein!
Die dunklen Gassen
saugen
uns
auf!
Ein Korn auf kaltem Boden,
Prost!
Niemand
würde uns missen,
hörten wir einfach
auf.
Ruta Strasunskaite: Die zweite Sonne
Die Wolke fährt allein vorbei,
Da sie mit ihren Schwertern stritten.
Die Mutter – Sonne dreht sich um,
Und fühlt sich beleidigt nun.
Und wieder gar kein Strahl,
gar kein!
An meine blaue Wange prallt…
Doch dauert es nicht lange Zeit,
Bis Mensch sich selbst die zweite Sonne
schafft.
Nun kann die alte trotzen bis die Ewigkeit,
Niemand wird sie merken.
Auch wenn am solchen Tag man gern’ die
zweite Sonne hätte,
Doch wäre für die Menschlichkeit deshalb das
Pech und Ende.
Text: Christoph Heise
Foto: Lisa Kühne
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