Beitrag vom: 24.04.2023 Kategorie: Willkommen

„Vorsicht, Handy! China und die digitale Diktatur“ – Autorenlesung von Kai Strittmatter am Gustav-Stresemann-Gymnasium

 

Der Literarische Frühling Nordhessen stand in diesem Jahr unter dem Motto: ,,Die Zeit läuft – Wie schaffen wir Wandel?‘‘ und ermöglichte den  Schülerinnen und Schülern des Gustav-Stresemann-Gymnasiums eine Autorenlesung von Kai Strittmatter, der am 27.03.2023 sein Sachbuch ,,Die Neuerfindung der Diktatur‘‘ auf besondere Art und Weise in der vollbesetzten Aula präsentierte.

 

Kai Strittmatter ist nicht nur Autor, sondern vor allem Journalist der Süddeutschen Zeitung, arbeitete 20 Jahre lang in Peking als Korrespondent und verfasste mehrere Artikel rund um China und dessen Herrschaftsform. Aufgewachsen im Allgäu ging er 1997 nach China und konnte so hautnah miterleben, wie sich der Staat im Laufe der Jahre auf vielfältige Weise entwickelte. So erlebte er auch die Amtszeit von Xi Jinping, die bis heute anhält. Laut Strittmatter sei dieser ,,mit einem Fuß noch in den 50er Jahren, mit dem anderen bereits weit in der Zukunft‘‘ und somit eine ,,geniale Mischung aus dem Roman ,,1984‘‘ von George Orwell sowie ,,Schöne Neue Welt‘‘ von Huxley‘‘.

 

Strittmatters Sachbuch entstand aus seinen eigenen Erfahrungen, gesammelt aus langjährigen Besuchen in China. Seine Autorenlesung lief etwas anders ab, als es sicherlich viele der anwesenden Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 10 und E erwarteten. Er begann nicht damit, sein Buch aufzuschlagen und zu lesen, sondern es war vielmehr ein Vortrag über seine Erlebnisse und seine Meinung zur chinesischen Politik, vor allem in Bezug auf die digitale Entwicklung Chinas.

Strittmatters Vortrag begann mit einer Anekdote seiner Assistentin vor Ort, als diese in einer Schule zu Besuch war und dabei selbst erleben konnte, wie weit die Technologien des chinesischen Staates reichen und dass diese durchaus beängstigend wirken können.

 

Er berichtete, dass in den Großstädten Chinas niemand ohne Handy auf die Straße gehen darf und China so eine hohe Überwachung der Bevölkerung erreicht. Zum einen biete das Sicherheit als wirksames Mittel gegen Kriminalität und gleichsam Hauptargument diktatorischer Systeme, zum anderen könne aber niemand etwas tun, ohne sich dabei beobachtet zu fühlen. In einigen Teilen Chinas gibt es ein Punktesystem für alle Bürger. Mit der Geburt startet jeder bei einem Stand von 1.000 Punkten und kann sich mit gutem Verhalten nach oben arbeiten. Dadurch erlangt man Vorteile wie die Nutzung einer Fast-Lane am Bahnhof oder Rabatte bei Onlineshops. Verschlechtert sich der Punktestand allerdings, so wird man in seiner Freiheit eingeschränkt.

 

Kai Strittmatter gelang es eindrücklich, seine Begeisterung, aber auch Besorgnis angesichts der technischen Möglichkeiten des totalen Überwachungsstaates zu vermitteln. Er erzählte von einem Abend, an dem er sich per „WeChat“ (Pendant von „WhatsApp“) mit einem chinesischen Freund für ein Interview verabredet hatte. Es kam allerdings nie zu dem Treffen, weil die Polizei den Chat mitlas und den Freund in Gewahrsam nahm.

 

Der Bericht seiner außergewöhnlichen Erfahrungen und die geschilderten Auswirkungen der digitalisierten Diktatur in China wird den Zuhörenden sicherlich noch nachhaltig in Erinnerung bleiben. Mit Strittmatters Vortrag warnte er uns, dass China und die damit einhergehenden Gefahren mitten unter uns sind. Er gab uns mit auf den Weg, dass der chinesische Einfluss in Zukunft bei uns immer stärker zu spüren sein wird und wir die Augen offenhalten sollen oder, um es mit den Worten des Theodor-Wolf-Preisträgers zu sagen: „Fürchten müssen wir nicht China, fürchten müssen wir nur uns selbst.“

 

 

 

Text: Swenja Bredemeier, Jakob Syring

Fotos: Julia Roth

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