Heimkehr zu einer literarischen Weltreise: Wolfgang Büscher zu Gast am Gustav-Stresemann-Gymnasium
#offen geht – so hieß das Motto der Interkulturellen Woche, die vom 25.9. bis 2.10.2022 in Bad Wildungen stattfand.
Das GSG steuerte mit seinem bunten Aktionstag am 29. September 2022 ein vielfältiges Programm zu diesem Motto bei.
Als vom Hessischen Kultusministerium unterstützte Schule mit besonderer Förderung der Literatur setzte das GSG am Vormittag mit einer von Christoph Heise und Barbara Jericho organisierten Lesung des vielfach ausgezeichneten Journalisten und Autors Wolfgang Büscher einen besonderen literarischen Auftakt. Büscher, der aus Volkmarsen im Landkreis Waldeck-Frankenberg stammt, kehrte aus seinem Wohnort Berlin in seine Heimat zurück und las in der vollen Aula des GSG für Schülerinnen und Schüler der Einführungs- und der Qualifikationsphase aus dreien seiner Werke. Gleich zu Beginn wurde klar, dass seine Neugier auf die Welt, das Reisen, bei Büscher und in seinem Werk eine besondere Rolle spielen: Er erzählte dem aufmerksamen Publikum von seiner Sehnsucht nach dem anderen und Fremden, von seiner Suche nach Erkenntnis fernab des Alltäglichen und kündigte an, dass seine literarische Weltreise die Zuhörenden von Berlin nach Moskau und über Amerika zurück nach Waldeck-Frankenberg führen wird.
Büscher startete mit einer Lesung aus dem Reisebericht „Berlin-Moskau“, in dem er ausführt, wie er, zuvor vielfach für sein Vorhaben belächelt, drei Monate unterwegs in Richtung Osten war. Zu Fuß wanderte er, teils entlang Napoleons Weg, teils an dem des Heeres der Wehrmacht während des Zweiten Weltkriegs, bis nach Moskau. Er thematisierte die historischen Schrecken, die auf seinen Wegen stattgefunden haben und beschrieb den Anwesenden eindrucksvoll, dass diese Gräueltaten für ihn zum Zeitpunkt der Wanderung wie selbstverständlich der Vergangenheit angehörten, weil schlicht nicht vorstellbar war, dass Ähnliches sich im Jahr 2022 noch einmal wiederholen könnte. Lebendig wurde die Lesung durch von Büscher immer wieder eingeschobene Anekdoten, etwa vom Höhepunkt seiner Wanderung nach Russland, der Ankunft in Moskau, wo er, vom Regen triefend nass und weinend vor Glück, einen Laternenpfahl umarmte.
Auch bei seiner Fußwanderung durch Amerika, der zweiten Station seiner literarischen Reise, ließ Büscher sich, diesmal von Norden nach Süden, treiben, um einzutauchen in die amerikanische Kultur, um Länder und Menschen zu erforschen. Hier schilderte der Autor etwa die Skepsis seiner amerikaerfahrenen Bekannten, die ihn zuvor warnten vor unüberwindlichen Straßenkreuzungen und misstrauischen Sheriffs. In seiner Lesung aus dem Werk „Hartland“ wurde deutlich, dass Büscher als Fußgänger im automobilisierten Amerika tatsächlich auffiel und Schwierigkeiten hatte. Dies zeigte sich, als er vorlas, wie er bei seiner Einreise von misstrauischen Grenzbeamten stundenlang verhört wurde, bevor er schließlich die Grenze passieren durfte, hinter der er – jenseits der bei Europäern beliebten touristischen Pfade – u.a. den verlassenen Ort Hartland entdeckte. Gleichzeitig, so erzählt Büscher, dass gerade das Unterwegssein als Fußgänger ihm erlaubt habe, auch im positiven Sinn mit Menschen in Kontakt zu kommen, die er sonst nie getroffen hätte.
Den Abschluss der faszinierenden literarischen Reise bildete eine Lesung aus Büschers 2020 erschienenem Werk „Heimkehr“, in dem er schildert, wie er seinen Kindheitstraum wahrgemacht und mehrere Monate allein in einer Waldhütte seiner Heimat Waldeck-Frankenberg verbracht hat: „Das Abendlied der Waldvögel in den Baumkronen erstarb, die Nacht übernahm den Wald nun ganz. Nur noch ein Getröpfel von Nebelschwaden war zu hören, ein Rascheln im Laub dann und wann. Sie machten die Stille noch stiller.“ Mit diesen Worten endete Büschers Lesung der dritten Station seiner literarischen Reise.
Büscher trug, unterbrochen von Einblicken in seine schriftstellerische Tätigkeit, immer wieder Passagen vor, die von spannenden Begegnungen mit Menschen handeln, die ihm teils skeptisch-ablehnend, teils aber auch sehr hilfsbereit und warmherzig begegneten und ihm von ihren Sorgen, Hoffnungen und Träumen erzählten. Er berichtete von seinen vielfältigen Begegnungen mit ganz unterschiedlichen Landschaften und Kulturen, die ihn zu dem Menschen gemacht haben, der an diesem Tag vor den Schülerinnen und Schülern des GSG stand: einem eigenwilligen Menschen ohne Klischees, der sich weigert, sich dem zu beugen, was gemeinhin als „normal“ betrachtet wird, und der diese Haltung – ohne den Zeigefinger zu erheben – poetisch verdichtet oder schonungslos dokumentarisch zum Ausdruck bringt.
#offen geht – Büscher hat dies auf seiner biografisch-literarischen Weltreise am GSG authentisch und literarischeindrucksvoll bewiesen, indem er gezeigt hat, dass Grenz-Erfahrungen und Grenz-Überschreitungen zwar herausfordernd sind, aber häufig in die Freiheit führen.
Barbara Jericho und Christoph Heise
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