„Zwischen Absolutheitsanspruch und Toleranz“ – interreligiöser Trialog am Gustav-Stresemann-Gymnasium
Nicht erst seit Beginn des Nahost-Krieges sind religiöse Vorurteile und Ressentiments massiv ins öffentliche Bewusstsein geraten und zeigen auch in Deutschland bei antisemitischen oder antimuslimischen Ausschreitungen sowie religiösen Terrorakten wie zuletzt in Mannheim ihre schrecklichen Konsequenzen.
Dabei geraten im gegenwärtigen Diskurs gerade jene kulturellen und vor allem religiösen Unterschiede in den Fokus, die nicht mehr nur als Bereicherung, sondern vermehrt auch als Gefahr unserer Gesellschaft und freiheitlich demokratischen Grundordnung verstanden werden.
Da aufbrechende Vorurteile, die offen oder verdeckt praktizierte Ablehnung und der Hass oft in Unwissenheit oder der Angst vor dem Fremden wurzeln, organisierten Schülerinnen und Schüler des Religionskurses der Jahrgangsstufe Q 2 einen interreligiösen Trialog, in dessen Zentrum es um den Ursprung dieser Fremdheit gehen sollte und dabei um die Frage, worin die Gemeinsamkeit und das Verbindende, aber auch das spezifische Profil und die Unterschiede der drei großen Weltreligionen liegen.
Neben den aktuellen sozialpolitischen Herausforderungen wurde dieses Vorhaben auch durch das Oberstufenthema des Vergleiches der Gottesvorstellungen in den drei großen monotheistischen Weltreligionen motiviert.
Mit Unterstützung ihres Religionslehrers, Christoph Heise, setzten sich die Lernenden zunächst mit den vielfältigen Gottesvorstellungen in Judentum, Christentum und Islam auseinander, um auf dieser Basis das Verhältnis der drei Religionen bestimmen zu können und herauszubekommen, wie eine friedliche Koexistenz gestaltet werden kann.
Um diese Fragen nicht nur von außen, sondern mit authentischen Vertretern diskutieren zu können, luden die Oberstufenschüler am 20. Juni mit Holger Wagemann (jüdische Gemeinde Felsberg, freier Mitarbeiter des HR), Abdus Salam Burghardt (Ahmadiyya Muslim Jamaat, Mitgründer des Rats der Religionen und des Runden Tisches der Religionen in Kassel) sowie dem in Altwildungen ansässigen Pfarrer Christof Hartge Experten der jeweiligen Weltreligionen in die vollbesetzte Aula des Gustav-Stresemann-Gymnasiums ein.
Ausgehend von prototypischen und individuellen Vorstellungen sowie dem Verbindenden der abrahamitischen Religionen wurden bei der Frage: „Glauben Sie alle an den gleichen Gott?“, vielfältige gemeinsame und unterschiedliche Aspekte der Gottesbilder im Judentum, Christentum und Islam sichtbar.
Dass die in dem von Colin Sporberg und Jakob Syring moderierten Trialog eröffnete Ambivalenz des Bewusstseins der Richtigkeit der eigenen Religion mit der Existenz der jeweils anderen verbunden werden kann, machten die Gäste anschaulich deutlich.
Ob Judentum, Christentum oder Islam, „Gott schaut auf das Herz, nicht auf die Religionszugehörigkeit“! Obwohl diese Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion ganz persönliche Gründe habe, betonte nicht nur Abdus Salam Burghardt die Daseinsberechtigung jeder Religion und damit das Verbindende ihrer Ansichten.
So war auch Holger Wagemann und Christof Hartge wichtig, dass aus dieser Einsicht weder Gleichgültigkeit noch Radikalität erwachsen dürfen, da jede Religion für Liebe und Akzeptanz werbe und keinen Hass propagiere. Täter, die das behaupteten, missbrauchten ihre Religion als Schutzschild für eigene Interessen, so Burghardt. Zudem sei die durch Konflikte entstehende Brutalität für viele interessanter als Frieden und Liebe.
Ebenfalls eindrücklich schilderten die Trialogteilnehmer am Ende der Veranstaltung die belastenden Wirkungen pauschaler Rollenzuschreibungen (wie der „Täter-“ oder „Opferreligion“), die der Vielfalt und Lebendigkeit des Glaubens nicht gerecht werden können.
Der interreligiöse Trialog bot dem Publikum damit viele sehr persönliche Einblicke in Glaubenserfahrungen und -überzeugungen und zeigte gleichsam prototypisch mit der Notwendigkeit solcher Gespräche auf Augenhöhe einen möglichen Ausweg aus dem Spannungsverhältnis der Religionen.
Nicht zuletzt hat der Trialog die Möglichkeit eröffnet, einen engeren Kontakt zwischen den Schülerinnen und Schülern und den Religionen, die in Gestalt ihrer Repräsentanten persönlich zu erfahren waren, herzustellen.
Und so stand am Ende dieser Veranstaltung die Gegeneinladung der Gäste in die Synagoge, Kirche und Moschee sowie zu einer Fortsetzung des Gespräches angesichts der auch ihrerseits gewonnenen, sehr positiven Eindrücke:
„Über fast zwei Stunden wurde in einer konzentrierten und aufmerksamen Atmosphäre der Austausch gesucht. Schön war es, dass auch das Auditorium multireligiös zusammengesetzt war. Vielleicht hat ja die Veranstaltung auch die Möglichkeit eröffnet, dass auch die Schülerinnen und Schüler untereinander in einen interreligiösen Dialog treten. […] Nach meiner Wahrnehmung gab es bei aller Unterschiedlichkeit doch darin Einheit, dass das Interesse nicht in der Überzeugung lag, sondern das Interesse lag im Dialog und der Erkenntnis. Das ist keineswegs selbstverständlich, sondern kostbar und wertvoll.“, so resümierte Pfarrer Hartge stellvertretend für die übrigen Gäste den Erfolg des Trialogs.
Möglich gemacht wurde dieses Projekt nicht nur durch die offenen Einstellungen der jeweiligen religiösen Vertreter, sondern auch durch die Unterstützung des Fördervereins des Gustav-Stresemann-Gymnasiums.
Text: Sarah Koch, Adriano Wetz und Christoph Heise
Fotos: Julia Roth
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